Einfamilienhaus mit Schilfdach, Weiden am See
Bauherr:innenpreis, Preisträger:innenFertigstellung 2022
Pappelgasse 51, 7121 Weiden am See
Bauherr:innen: Marina Rosa, Jacobus van Hoorne
Architektur: Gilbert Berthold, Zürich
Fotos: Arnaud Bostelmann, Gilbert Berthold, Hanno Mackowitz
„...die Wiederbelebung des Schilfdaches in Österreich zu ermöglichen.“ Jacobus van Hoorne, Bauherr
Warum sollte ein Einfamilienhaus preiswürdig sein, nur weil es ein Schilfdach hat? Anfängliche Bedenken zerstreuen sich vor Ort im Gespräch mit einem Bauherrn, der selbst in zweiter Generation passionierter Schilfschneider und Schilfdachdecker ist. Durch seinen Versuchs- und Demonstrationsbau will er einem regional tief verwurzelten Handwerk zu mehr Ansehen verhelfen. Das frei geformte Schilfdach in zeitgemäßer Anwendung ist ungewöhnlich und doch verblüffend einfach: Die parallel angeordneten Sparren verlaufen linear von der zentralen Firstachse zu den beiden s-förmigen Trauflinien. Die einfach gekrümmten Dachflächen, deren Neigung gegenläufig von 40 Grad bis zur Senkrechten ansteigt, eignen sich ideal für ein Schilfdach, dessen Langlebigkeit mit dem Neigungswinkel zunimmt und das mit einer Stärke von 30 cm einer Dämmung von 20 cm entspricht.
Der Bauherr, der schon in seiner Jugend im väterlichen Betrieb mit Schilf hantierte und schließlich vom Architekturstudium zur Quantenphysik wechselte, kehrte nach sieben Arbeitsjahren am CERN zum Handwerk zurück. Sein Forschergeist kam ihm an der Prüfanstalt für Brandverhalten in Wien zugute, wo er nachweisen konnte, dass ein sachgemäß ausgeführtes Schilfdach nicht in Vollbrand gerät und aufgrund der extrem langsamen Brandausbreitung auch keine Einwirkung auf Nachbargebäude zu befürchten ist. Seitdem ist es behördlich leichter, Gebäude mit Schilfdächern oder sogar Schilffassaden umzusetzen.
Text: Gabriele Kaiser