Weinhof Locknbauer
Preisträger BHP22
Steiermark:
Weinhof Locknbauer
Pichla bei Radkersburg 58, 8355 Tieschen
Bauherr·in: Lukas Jahn
Architektur: Mascha Ritter
Tragwerksplanung: ZMP GmbH,
Micha Puksic, Raaba-Grambach
Fertigstellung: 2021
Er hat noch nie zuvor ein Bauprojekt in Auftrag gegeben. Sie hat noch nie zuvor etwas gebaut, war nicht einmal noch mit ihrem Architekturstudium fertig. Die Geschichte lehrt uns, dass dies kein Hinderungsgrund sein muss. Denn was als Zufallsbekanntschaft und wagemutiges Gedankenexperiment bei einem Abendessen in einer Berliner WG seinen Anfang nahm, entwickelte sich im Laufe der darauffolgenden Monate und Jahre zu einem Beispiel dafür, wie man einen teils revitalisierten, teils neu errichteten Produktionsbetrieb passgenau in die südoststeirische Landschaft hineinsetzen kann. Bauherr Lukas Jahn (29) und Architektin Mascha Ritter (28) entschieden sich, einen kleinen, intakten Teil des bestehenden Kuhstalls zu erhalten und sich bei den neuen Zu- und Anbauten an der Silhouette des bisherigen Wirtschaftsgebäudes zu orientieren. Das Resultat ist eine auf den ersten Blick symbiotische Zusammenführung aus Alt und Neu – und eine auf den zweiten Blick überaus sensible Neuinterpretation der regionalen Bautypologien und des lokalen Handwerks, die man mit Freude begutachten und einfach nur streicheln will. Im Norden des 50 Meter langen Gebäudes befindet sich die Verarbeitung samt Pressbereich und Kühlhaus, in der Mitte ist der Weinkeller mit Verkauf- und Verkostungsbereich untergebracht, im südlichen Ende schließlich befindet sich die Buschenschank, für die Lukas Jahn sogar ein eigenes Gastronomiekonzept entwickelt hat: Als Begleitung zu den Weinen werden regionale Tapas serviert, wobei der Fleischanteil lediglich 30 Prozent beträgt, der Rest ist vegetarisch und vegan. Die Nachhaltigkeit bezieht sich nicht nur auf die Wein- und Speisekarte, sondern zeigt sich auch im Einsatz von Holz, in der intensiven Zusammenarbeit mit lokalen Handwerkern, im generellen Verzicht auf Kunststoffe im ganzen Haus, in der Errichtung einer unterirdischen Regenwasserzisterne für die Bewässerung der Weinreben sowie im wunder schönen zimmermannsmäßigen Dachstuhl mit seinen Hunderten Stabdübeln.
„Wir haben sogar ein aufgeklapptes Vordach errichtet, wie man das früher gemacht hat, und einen Grean gebaut“, sagt Lukas Jahn. Und erklärt, dass der Grean traditionell den betonierten Vorplatz auf der Südseite des Wirtschaftshofs bezeichnet. Anekdotenreiche Details wie diese gibt es viele zu entdecken. Bauherr und Architektin waren ein Dream Team und haben mit ihrem Erstlingswerk bewiesen, dass man auch mit wenig Praxiserfahrung einen Beitrag zur Regionalität leisten und Baukultur auf höchstem Niveau leben kann.