Sigmund Freud Museum
Wien:
Sigmund Freud Museum
Berggasse 19, 1090 Wien
Bauherrschaft: Direktorin Monika Pessler, Sigmund Freud
Privatstiftung/Daniela Finzi, Peter Nömaier
Architektur: Atelier Hermann Czech, ARTEC Architekten,
Walter Angonese
Tragwerksplanung: zt-moser, St. Pölten
Fertigstellung: 08/2020
Was bei der Selbstdarstellung anderer Projekte kaum eine Rolle spielte, dominierte hier das ganze Konzept: Zusammenhang, Geschichte. Monika Pessler, die Direktorin der Sigmund-Freud-Privatstiftung, betonte mehrfach, was das Freud-Museum in den Räumlichkeiten einer der berühmtesten Adressen Wiens ist: ein „Haus Museum“. Es dient dazu, die Geschichte der Familie Freud, die Geschichte der Entwicklung der Psychoanalyse in Theorie und Praxis, die Geschichte der Vertreibung und Ermordung von Familienmitgliedern durch die Nationalsozialisten sowie der zurückgebliebenen Leerstellen zu dokumentieren, zu begleiten, zu imaginieren, zu erforschen.
Das alles braucht ein gestalterisches Konzept, dessen intellektuelles und ästhetisches Zentrum in der Entscheidung liegt, etwas nicht zu tun, damit der Raum zwar fast leer, aber zugleich gefüllt von Einfällen und Gedanken der Besucherinnen und Besucher ist. Für diesen Kraftakt braucht es drei Büros: Hermann Czech, ARTEC (Bettina Götz/Richard Manahl) sowie Walter Angonese. Laut Eigenaussage schätzen sie sich und haben wahrscheinlich über vieles viel diskutiert. Die Sigmund-Freud-Stiftung muss aber bei diesem Gestaltungskonzept ebenfalls an Bord sein, nicht nur als Auftraggeberin, sondern als Regisseurin für die Bedingungen der Möglichkeit von Imagination. Die Stiftung kennt die Geschichte(n) und deutet die Spuren, die ArchitektIinnen verweisen darauf und ermöglichen Zusammenhänge. Kein Möbelstück ist aus London extra zurückgekommen, nichts ist rekonstruiert worden, teilweise sind nur Fragmente des früheren physischen
Zustands wieder sichtbar gemacht worden. Eine der wesentlichsten Entscheidungen in diesem Zusammenhang ist die Erweiterung des Museums um die ehemaligen Privaträume der Familie Freud. Schließlich hat Freud selbst beides sowohl im Alltag als auch in seinen Schriften vermengt.
Gestaltet im herkömmlichen Sinne ist die Architektur der wissenschaftlichen Ausstellung. Dazu zählen eigens entworfene Vitrinen sowie Schautafeln, die historische Photographien zeigen, sodass damaliger und heutiger Zustand verglichen werden können, aber frei im Raum stehen und von den nur wenig berührten Räumen von Familie und Praxis völlig getrennt sind. Dazu zählt auch die Renovierung der Gründerzeitfassade, die Einrichtung eines neuen Foyers samt Café und Museumsshop sowie noch eine Reihe anderer unsichtbarer Maßnahmen, die vor allem die Klimatisierung und Sicherheitstechnik betreffen. Am Ende betritt man die Berggasse 19 vielleicht wie früher die PatientInnen: in der gespannten Erwartung, etwas über die eigene Geschichte zu erfahren.