Tiroler Steinbockzentrum
Tirol:
Tiroler Steinbockzentrum
Schrofen 46, 6481 St. Leonhard im Pitztal
Bauherrschaft: Gemeinde St. Leonhard |
Bürgermeister Elmar Haid
Architektur: ARGE Atelier Rainer Köberl |
Architektin Daniela Kröss, Innsbruck
Tragwerksplanung: Georg Pfenniger, Landeck
Fertigstellung: 07/2020
Mit diesem Neubau wird die Region ihr „Kulturbanausentum“ ablegen. So deutlich formulierte es Bürgermeister Elmar Haid, der mehr möchte als eine touristische Attraktion. Tatsächlich waren anfänglich wohl nicht alle begeistert über den im Wettbewerb prämierten Entwurf von Rainer Köberl und Daniela Kröss für ein Steinbockzentrum, hätten sich etwas Traditionelleres gewünscht. Schließlich liegt daneben der älteste noch erhaltene Hof der Umgebung, der später in das Gesamtkonzept integriert werden soll. Doch bald konnten die meisten von dem skulptural wirkenden Bauwerk überzeugt werden, das man schon von weitem bei der Anfahrt ins Pitztal sieht; es thront auf einem Plateau wie ein Steinbock, der ins Tal schaut.
Oben angekommen, muss man sich erst einmal mit dem turmartigen Objekt selbst, besonders mit seiner Oberflächenwirkung auseinandersetzen, die zugleich irritiert und gut in die ländliche Umgebung passt. Was man auf den ersten Blick für einen ungewöhnlichen Holzbau halten könnte, entpuppt sich als vorgehängte Betonplatten mit rostrot-brauner Farbe und Textur, welche wie horizontale Holzbalken aussehen. Der Architekt und die Architektin wollten an den ehemaligen Stadel erinnern, der genau an dieser Stelle stand.
Drei Geschosse gilt es nun nach oben durch das Steinbockzentrum zu bewältigen, bevor man über einen Stahlsteg barrierefrei zu den Gehegen der Steinböcke gelangt. Der Eintritt in das Haus birgt jedoch auch Überraschungen. Zum einen evoziert die polygonale Kubatur die Erwartung, über eine Art Raumtreppe nach oben gelangen zu können. Tatsächlich sind die einzelnen Geschosse konventionell aufgeschichtet, nur die großen, unterschiedlich gesetzten Fensteröffnungen relativieren diesen Eindruck. Zudem bieten sie großartigen Ausblick, zu Recht als eigene Bilder in der Ausstellung geplant. Zum anderen gehen die Ausstellungsinhalte über das hinaus, was der Name des Hauses verspricht: Neben der Geschichte der Ausrottung und Wiederansiedlung des Steinbocks in Europa erfährt man auch von den Pitztaler Photographenfamilien, darunter mehrere Frauen, die im 19. Jahrhundert mit genauem Blick ihre Mitmenschen und Umgebung porträtiert haben. Einige dieser Photographien sind im Steinbockzentrum zu sehen. Sie machen neugierig auf mehr, nämlich auf das, was dem Bürgermeister und anderen in der Gemeinde vorschwebt: ein Steinbockzentrum, das als kulturgeschichtliches Museum erweitert werden kann. Dass die besondere Architektur des Steinbockzentrums mitgeholfen hat, diese Idee zu initiieren, ist das Resultat einer geglückten Zusammenarbeit von Bauherrschaft und ArchitektInnen.