Evangelische Kirche, Mitterbach
Kirchengasse 9, 3224 Mitterbach
Bauherrin: Evangelische Pfarrgemeinde Mitterbach - Pfarrerin Birgit Lusche
Architektur: Ernst Beneder / Anja Fischer, Wien
Tragwerksplanung: Reinhard Schneider, Wien
Fertigstellung: 2016
"Wir sind immer wieder überrascht, mit welchem Einfühlungsvermögen die Planer Verborgenes aus dem Gegebenen und Verdeckten herausholen
konnten." - Pfarrerin Birgit Lusche
Errichtet von Holzknechten aus dem Dachsteingebiet, die im 18. Jh. vom Stift Lilienfeld angeworben wurden, um in den Wäldern des Ötschergebiets Holz für Wien zu schlägern, haben wir es mit der ältesten evangelischen Kirche und zudem der einzigen Toleranzkirche in Niederösterreich zu tun. Die Holzarbeiterfamilien waren „Geheimprotestanten“, erst 1781 gestattete ihnen das Toleranzpatent Kaiser Josephs II. die Religionsausübung.
Mit der Landesausstellung 2015, die sich Geschichte der Evangelischen in der Region widmete, geriet die Geschichte des Bethauses wieder in den Fokus der Öffentlichkeit, was zusammen mit dem Lutherjahr 2017 eine günstige Konstellation bot, die längst fällige Renovierung der Kirche in Angriff zu nehmen. Ernst Beneder und Anja Fischer fanden die Kirche im Wesentlichen im Zustand von 1970 und in einer bedrückenden Raumstimmung vor. Damals wurden die Seitenemporen abgetragen, die Hauptempore nach vorn erweitert, was die Blick und Klangbeziehung vom Altarraum zur Orgel beeinträchtigte. Nach eingehender Auseinandersetzung mit evangelischen Bautraditionen war für die Architekten klar, dass im praktischen wie konzeptionellen Sinn der Empore große Bedeutung zukommt und sie suchten dafür nach einer aktuellen Sprache, die im Geist der alten Holzfällerkirche die Funktionalität und Dramaturgie des Raumes verbessert. Neben vielen kleinen und größeren Maßnahmen ist die neue Empore die den Raum wieder in Balance bringt, die augenfälligste Maßnahme. Im feinen Gitterwerk der Brüstungen finden sich die Namen der ersten „Bekenner“ von 1782, die sich mutig offiziell als evangelisch meldeten; das wirkt bewusstseinsbildend und identitätsstiftend. Im Zusammenwirken von Pfarrgemeinde und Architekten sind alle Involvierten an der Aufgabe gewachsen und haben sie in einem Dialog auf hohem Niveau entwickelt. Liturgische Abläufe wurden optimiert, räumliche Barrieren entfernt und es entstand eine raumplastische Komposition, in der Bestehendes und Neues wie selbstverständlich verschmelzen; mit hoher Sorgfalt, bis ins kleinste Detail überlegt und gestaltet. Bei bescheidenem Budget und trotz kleinem Maßstab der Bauaufgabe entfaltet das Projekt Strahlkraft weit über die Pfarre hinaus.